Familien Nachrichten und Geschichten und
Warnungen
an
meine Kinder
Selbsthändig geschrieben mithin beglaubigt im Winter 1808.
J.Ad.Steffens
Nunquam sis ex toto otiosus, sed aut legens aut scribens, aut orans, aut meditans aut aliquid utilitatis pro communi laborans.
Thomas a Kempis lib I cap.19 et lib. III cap. 117
Sei nie ganz müßig, entweder lese oder schreibe oder bete oder betrachte oder arbeite etwas gemeinnütziges.
Herstammung:
Bei fühlendem Stande ist es ein Natur-Reitz
soviel möglich seine Herkunft zu wissen, - nur bei gefühlloser pöbelhafter
Erziehung zeugt dieses eine Gleichgültigkeit als ein Folge der Unwissenheit.
Ohne literirte Denkungskraft ist kein feines Gefühl denkbar. Die
Menschen-Klasse von diesem Schlage hält kaum nur nach wer ihr Vater ware.
Weiter hinaus ist dessen Gepräge ohne Druck.
Mein Urgroßvater stammt aus Münster in Westphalen her, er stand in dasigen Kriegsdiensten als
Auditeur bei einem Regimente.
Von da wurde er von Churfürst Johann Wilhelm im Jahre 1670 in Pfälzische Dienste gezogen und
als Amts Verwalter des Bergischen Amtes Lewenberg angestellt; - mir ist
unbekannt durch was für eine Gelegenheit er aus jenen Diensten in die
pfälzische überging. Er war ein starker Rechtsgelehrter, daher vermuthe ich,
daß der damalige Bischof von Münster ihn in Landesgeschäften gebraucht, und oft
nach Düsseldorf gesandt habe, und daß er in dieser Art, Veranlassung bekommen
seinen unsteten Militair-Dienst mit dem steten Civildienste zu verwechseln.
In Honnef, dem ansehnlichsten Dorfe des Amtes ließe er sich nieder, baute dort ein sehr festes
Haus nach uralt fränkischer Art, daß wegen seinen sehr dicken Mauern die Bauern
den "steinernen Strunk" benannten; und heirathete die Tochter des
Geheimen-Staats-Secretairs Pells (Pell,Bell) von Düsseldorf, womit er zwei
Söhne erzeugte.
Der Franz Xaver Trips, ein gelehrter Mann war zu seiner Zeit Pfarrer in Honnef. Die Pfarrei,
die nachher abgebrannt, lag, von hinten zu in der Nähe des Urgroßvaters.- Sie waren
beide als Männer von Geist und Kopf compatisirend stete Freunde und bei ihrer
Wohn-Nähe täglich zusammen.
Dieser Trips ist derjenige, der in tyrocinio poetico die Descriptionem metricam de Europeae
Statu, verfaßt hat,- er war der Hofmeister vom Churfürst Johann Wilhelm
hiernach Hof-Kappelan, und endlich, wie oben gesagt Pfarrherr in Honnef. -
Diese große Kirchspiel, das bei 3000 Seelen in seiner Pfarre zählt, hat bei und um das
Schloß Lewenberg große Waldungen, woher der Churfürst fast alljährlich dorthin
auf die wilde Schweinsjagd kame, und jederzeit bei meinem Großvater einkehrte,
daher der obere Saal in seinem Hause, das Churfürsten Zimmer genannt wurde.
Der Churfürst fragte ihn, was er als Dorf-Pfarrer mache ? - er wolle ihm eine Prebende bei der
ersten Erledigung auf dem besten Canönchen-Stift seines Landes geben,- Trips
verbat es mit dem Ausdruck: Ihre Durchlaucht! Höchstdero Amts-Verwalter ist,
wie sie bei unserm Umgange sehen ein solche Freund von mir, daß ich ihn mein
lebenlang nicht verlasse, - dessen Gesellschaft, und seine jetzt angewöhnte
Pfarre zöge er allen Präbenden vor. Hieraus zeigte sich also, welch innige Freundschaft dieser zu jenem
hegte. -
Die nämliche Gegenfreundschaft meines Urgroßvaters bande mit dessen nun schon gemachten Haus-
und Hofes angesäßigkeit diesen jetzt ebenfalls nicht weiter zu wechseln als er
ebenso wie jener vom Churfürsten in höhere Dienste befördert werden konnte.
Statt dessen bat er nur seinen ältesten Sohn unterzubringen. Auf Frage des
Fürsten, was er denn für ihn verlange, begehrte er die Anwartschaft auf die
dasige Amtsgerichtsschreiberei des damaligen losledigen Gerichtsschreibers Ley,
der zu seiner Zeit auf unserem in der Folge vom Regierungs-Rath Rheinbach
gekauften Gut am Mainzenberg gewohnet hat, und zwar in dem noch bei dem neuen
stehenden uralten Gebäude, wowie nach alter Tradition in den Vorzeiten sich
sogenannte Quacken aufgehalten haben sollen;- damit er diesen seinen Sohn in
seinen alten Tagen bei sich habe. - er wußte sehr wohl, daß diese Gerichtsschreiberei
schon in damaliger Zeit über 1000 r. abwerfe, statt er seine Amts-Verwalter nur
zur Hälfte rechnen konnte. Erstere hat blos aus der Steuer-Conscription, die
jährlichs d.i. jährlichs die Steuer-Bücher zu machen, bei 300 r/. stabil und
hiernebst die gewöhnlichen Gerichts-Emolumente eines so großen Amtes.
Diese Anwartschaft
sagte der Fürst ihm nicht nur gleich zu, sondern fragte weiter was er denn aus
dem Karpfenzungenfresser machen wolle, dem zweiten Sohne Ruttger? Diesem traute
er zur Welt nicht genug Witz zu und gedächte also diesen in eine alte Abtei zu
bringen. Nun hieß es: wohlan schicken sie diesen nach Heisterbach und lassen
ihn dem Prälaten sagen, ich zahlte die Kösten;- er träte in's Noviziat
(Probejahr) bleibe aber nur 3/4 Jahr und ging wieder aus ohne etwas besonderes
mit ihm in der Welt machen zu können. Man überließ ihn also dem fruges consumere natus machte ihn zur Noth zum
Gerichtsscheffen und ließ ihn in den damaligen Kriegen zweimal als Geissel nach
Luxemburg abführen ohne daß man dem Amte dafür eine Ranzion (Lösegeld)
forderte; dagegen die Familie dieses Opfer stetshin in der Folge in den
Bittschriften zu Bedienungserhaltungen anzoge und auch bis auf meine Zeiten,
bis wohin wir bei anderthalb hundert Jahren, in fürstlichen Diensten standen,
seine verdienstliche Mitwirkung machte.
Die Geschichte des Karpfenzungenfressers war diese: daß einstmals der Mundkoch des Fürsten, den er
allzeit mitbrachte, ein Gericht von puren Karpfenzungen als Leckerbissen
gemacht hatte, dieses der junge Rüttger weggeputzt und heimlich gegessen hatte.
Wie die Abmahlungen (Portraits) zeigen, war die Urgroßmutter eine sehr schöne Frau; -
die Natur spielt oftmals noch bis in die 3te 4te Generation. Meine selig
verstorbene Tochter Helen ähnelte in ihren Gesichtszügen der Urgroßmutter nebst
ihrer Ur-Ur-Großmutter und ich dem Urgroßvater, wie ich dieses im Spiegel oft
beobachtete. Uberhaupt geht die Nasengleichung durch jede Generation bisher zur
Vierten durch, so daß die Steffens-Nasen gar zum Familiensprüchwort wurden; das
mich an den Ovidius Naso mahnt; also vielleicht gelehrte Nasen noscitur ex naso, quanta sit nota viro
(Kenntnisse der man? hat).
Der Stamm-Vater war also in Münster gebürtig,- wenn daher sich noch dereinstens ein
unvorsehender Familienfall ereignen sollte,(wie schon unten ein versäumter war)
wobei die höhere Stamm-Linie noch weit zurück erforschet werden müßte, so würde
man sich in den dortigen Taufbüchern aushelfen können.
Warnung :
Als mein Bruder in Düsseldorf aufgehender Hofrath war, und ich um diese Zeit auch dort mich in
praxi befand, nämlich im Jahre 1765 sagte uns der Hofkammerrath Weiler, der
zugleich einen Weinhandel führte, und wodurch er oft nach Münster käme, warum
wir nicht eine Reise dorthin machten, da wir doch eine so reiche Verwandtin
dorten hätten, nämlich, die Weinhändlerin Wittib Steffens, ohne daß wir wüßten,
deren noch am 1eben zu sein und noch weniger, daß diese Wittib ohne Kinder war,
so oft wir in Gesellschaft des Hofraths Weiler waren, machte er davon Anwurf
und fragte jedesmal ob wir noch nicht zu Münster gewesen wären.
- Ich war damals noch ein unbesonnener junger Mensch, selbst von bemittelten Eltern her, hörte
es lächelnd an, sagte und dachte gelegentlich auch einmal diese Reise zu
machen, gleichwohl kam nichts daraus und am Ende kam es gar in Vergessen.
Meinem Bruder, der aber in reifen Jahren war, ist's sehr zu verübeln, daß er
nicht auf eine Hinreise gedrungen, statt es zuletzt in gänzlichen Vergeß zu
kommen. 15-20 Jahre später vernahmen wir zufällig, daß sie auf einen von Weitem
Anverwandten ihrerseits alles vermacht habe, obschon das größte Vermögen von
Steffen'scher Seite hergekommen war. Hofkammerrath Weiler sagte immer, daßs sie
dem in Münster allgemeinen Rufe nach 80 bis 9o Tausend Thaler besessen habe.
Welch große Versäumniß! welch großen Schaden, mag also durch diese unterlassene Reise nach
sich gezogen haben, wenn auch nur vielleicht die Hälfte davon ererbet worden
wäre. Eigentlich rührte aber doch diese Kaltblütigkeit von einem alten
Erzählchen her. Dieser Weinhändler Steffens seien in ihren ersten Ehejahren,
wenn er jährlichs zum Einkauf in's Rheingau gereiset, sie zu besuchen gekommen.
Da aber mein Vater seel. selbst viele Weingüter sohin auch vielen Wein zum Verkauf
hatte, jedoch nie von ihm kaufte, ward er hierüber seiner Freundschaft ganz
abgeneigt, und wahrscheinlich sind durch diese Kaltblütigkeit die weiteren
Besuche unterblieben, obgleich ersterer ihm erwidert hatte, daß in Münster und
dem ganzen dasigen Lande keine Blauharte (rothe Weine); andere bloß schwere
Rheingauer getrunken würden. Dies war also ein vernünftiger Gegengrund, der
ohnehin allgemein bekannt ist, mithin auch schon ein Fehler von meinem Vater
seel. deshalb die Familien-freundschaft unterbrochen zu haben, wo sie noch auf
jeden Fall seinen Kindern zu Liebe hätte müssen unterhalten werden, statt den
Kindern gar noch durch solch ein ungegründetes Erzählchen Gleichgültigkeit
einzuflößen.-
Dies sei also euch Kindern eine Lehre, nie in eurem Leben dergleichen Vorfälle geringfügig zu
halten, wann auch je einstmals ein solcher Familien-Umstand vorkommen sollte,
gar mit fremden laßt es an in solchen Fällen an Anthunlichkeiten nicht fehlen.
Ioh bin der festen Meinung durch obige Fahrlässigkeit meiner Familie eine
ansehnliche Erbschaft entgangen zu sein, worüber mir bis auf heutige Stunde in
meinen Gedanken noch immer Vorwürfe mache.
Der Großvater hatte inzwischen die erledigte Gerichtsschreiberei-Bedienung schon angetreten,
das elterliche Haus behagte ihm nicht theils weil es ihm kerkermäßig schien,
theils wegen seinem noch lebendem Vater, mit der Absicht es in der Folge seinem
Bruder zuzutheilen, baute er sich in mehr offener Lage und mit weit besserer
Einrichtung. Er war ein Freund von Künsten und Wissenschaften: Alle Zimmer mit
guten Gemälden behangen im Saale gar ein Bronce-Leuchter das zu der Zeit bei
Privaten was Seltenes und kaum sich noch beim Adel befanden. Als Musikliebhaber
hatte er selbst eine eigene Tragorgel nebst Terzstück im Hause;- so gemein
diese Tragorgeln jetzt durch alle Stätte, gar über Land gehen, so selten waren
sie damals noch, und fast ganz unbekannt. Als jovial von Gemüthe hatte er seine
Freude bei seiner Landhaushaltung mit dieser Orgel zum Martin Abend- 3 Königen,
Fastnachtstagen und dergleichen seinem Hausgesinde aufspielen zu lassen.
Vom Mahlen war er ein solch spaßiger Liebhaber, daß er nicht nur Alles im Hause bemahlet, sondern
sogar im Hofe auf dem Scheunenthor 2 Treschen mit Flegeln, auf der
Pferdstallsthür Pferde, auf der Keltershausthür den Weingott Bachus, -auf
dessen Fensterladen das Bachus-Gefolge von Satiren und auf der Abtrittsthür ein
Pillen einnehmender Klistirsezer. Hätte er nicht ein Gegitterportal am Garten
gehabt, so würde da auch noch eine Flora gestanden haben. Er war auch ein guter
Trinker, sein Reitpferd kam zuweilen allein nach Hause die Botschaft bringen,
daß sein Herr unterwege abgefallen, und man ihn holen müsse, besonders wenn er
bei dem Licent-Kommissar Brosi zu Dollendorf zu Gast gewesen war.
Er hatte nur eine Tochter und einen Sohn, meinen Vater, lebte immer liberal und fragte nicht mal
nach letzterem, weil dieser sehr haushälterischer Natur war;- er wurde zuletzt
durch das Podagra ganz bettlägerig, trat meinem Vater seine Bedienung gegen ein
Deputat von 200r ab, hatte 3-4 Hunde auf seinem Bette liegen, in der Meinung
diese das Podagra an den Füßen erleichtern;- konnte keine kleine Kinder um sich
leiden, wozu er eine lange Schmucke, die durch das ganze Zimmer reichte am
Bette hatte, um meinen Bruder damit wegzujagen; hatte die Wittib Caschina zu
seiner Aufwartung und starb im Witthumstande im Jahre 1748. Er hinterließ sein
von seinen Eltern ererbtes Gut ohne etwas dazu zu erwerben. Wegen den dasigen
Rheinwerderen ist der Strom so stand, daß keine Fischerei statt hat; - ermachte
sich also in einem Busche einen Weier, der noch bis auf heutigen Tag der
Steffens-Weier heißet, und ich ihn in Besitz hab. Er ließ sich also das Axiom
genug sein: non minor est virtus, quam quaerere parta tueri.
Die Großmutter war eine Tochter des Kaiserlichen Postmeisters Johann Deutzmann in Köllen, die nebs
ihren anderen Vermögen den halben Rittersitz Dahlhausen im Bergischen bei
Elberfeld beibrachte, den mein Vater in der Folge an seinen Schwager,
Gerichtsschreiberen Brückelmann zu Beyenburg gegen den Antheil seiner Honnefer
Güter vertauschte;- sie war eine stille gütige Frau und starb einige Jahre vor
meinem Großvater.
Meinem Vater gefiele weder das Urgroßväterliche noch das Großväterliche Haus, sondern dieser baute sich vor
das Dorf mitten in das Feld ganz allein liegend wieder ein neues, das fast die
Größe eines Klosters hat; - in der Vorder-Facet sind 30 Fenstern, an den
Seitenflügeln 12 und von hinten 28, machen in allem 70 Fenster, ein Keller
darunter, der schwerlich am ganzen Rheinstrom seines Gleichen findet, und an
200 Fuder Wein fassen kann. Er hat einen Querbogen, der für ein Meisterstück
gehalten wird; im Hause eine so breite Treppe, daß 3 Personen neben einander
zugleich aufsteigen können, - im Hof einen über 130 Fuß tiefen Brunnen, der
wegen seiner Tiefe an 300 rl. gekostet hat; - ein Lustgarten von 2 1/2 Morgen,
den er mit einer hohen Mauer eingefaßt, die auch über 1000 r. kostete; darauf
hielt er seinen gelehrten Gärtner Orangerie mit Treibhaus, war mit dem kostbarsten
Spalierobst besetzt, und dazu so viel Lattengeländer darin, daß dieses auf`s
vierte Jahr anzustreichen an 200 r. wegnahmen; hatte seine vollständige ......
mit allen Gattungen der besten Blumen, die er aus Holland verschrieb, - 50
Taxbäume darin zu Pyramiden deren jeder ein Dukat gekostet - eine Fontaine -
Statuen - und verschiedene Alleen machten die weiteren Zierden. Er hielt seine
zwei Pferde und Gefähr, doch aber bei allen diesem der größte Sonderling nach
seinem Naturell. Er verbaute Tausende, brach dieses Jahr wieder ab, was er im
vorigen gebaut, um nur immer am Bauen zu bleiben, kein Geld für Gärtnerei war
ihm zu viel, und ebenso nicht zur Musik, auf diesen dreien Gegenständen ruhete
seine ganze Lieblingsleidenschaft, dabei aber ein auffallender Contrast, dieser
war: ein Liebhaber vom Bauen zu sein - und nicht dem Bauen sein volles Zubehör
zu geben, denn er begrenzte sich nur auf Äußere des Wunsches. - Wunderbar war
es, der Ansprache-Saal - das Speisezimmer - Kinder- und Schreibzimmer waren nur
geweißt - sein Schlafzimmer stande sein Leben lang, wer sollte es glauben? -
nur in Plästerung, und er starb darin, ungeweißt; im ganzen Hause hatte er nur
selbst machen gelassen gemeine hölzerne Stühle, nur ein Dutzend Plüschen im
Saale, weil er diese von seinem Vater in der Theilung erhalten hatte, und sonst
gewiß nicht selbst angeschafft haben würde. In einigen Zimmern hingen einige
gute Gemälde mit einigen schön eingelegten nußbaumenen Schränken, wovon ich
noch einen oben auf dem Kabinette stehn habe, dreien großen Spiegellen und den
nur nothdürftigen Bettungen.-
Dies war nebst den unentbehrlichen
Küchengeschirren sein gesamtes Hausgeräthe, ohne seine ganze Lebenszeit was
mehreres, außer einer Stand-Uhr angeschafft zu haben. Die Uhr, so eine echte
englische ist, war doch nur zufällig, daß ein Amtseingebohrener als
Uhrmachergesell in London gestanden, diese mit nach Hause gebracht, von ihm
einen Zulaß Wein kaufte und dafür diese Uhr überließ; sie kostet also 80 r.,
wenn ich diesen Zulaß reinen Wein zu 4 Ahm jede zu 20 r. veranschlage. Es ist
die, so ich hier auf meiner Treppe stehen hab. Die Ronndorfer und
Königswinterer Hausteinbrüche sind nur 1/4 - 1/2 Stunde von Honnef ab und
dennoch ließ er meiner Mutter die Küche ungeplattet mit Bord liegen, ungeachtet
sie mit einer großen Landwirthschaft mit 4 Knechten, 3 Mägden, vielen
Taglöhnern zur Zeit der Hauptarbeiten, Pferde, Kühen und Schweinen, zweier
steeter Scribenten und Kindern belastet, in kurzen Jahren ausgeschlissen und
verfaulten Gebünnen, in dessen Löchern das Gesinde schier den Hals brach und
100 mal mit Kochtöpfen und Schüsseln gefallen war. Wir Kinder ließen sie erst
im Wittumstande unserer Mutter belegen. Hieraus sieht man also offenbar wie
wenig er nach dem Innern seiner Bauerei fragte; noch hatte er dabei den Fehler
nichts solid zu bauen, z.B. ein Theil der Husmauern hat er gar mit Leinen
gemauert; und den zweiten Theil von hinten in Holz gestellt. So war auch alle
Stallung, Schoben, Remise, Brauhaus, Scheuer und zwei Kelterhäuser und
Gartenhaus; doch kann ich hier nicht unbemerkt lassen, aus der Erfahrung zu
sagen, daß eine leime Hausmauer unter Dach im untern Stocke 2 1/2 und im oberen
2 Fuß wie sie da ist mit einem guten Bewurfe Jahrhunderten trotzen könnte. Er
baute anfangs der 1730ger Jahren, jetzt steht es also beinah ein Jahrhundert
und kann fernere unerschüttert dauern. Er hatte anfangs das Haupthaus in einem
Flügel bestehend im Prospekte nach der Landstraße zur Aussicht nach dem Rhein
gerichtet und den Garten zu einer Seiten liegend, wie seine Gartenliebhaberei
mit der Folge seines großen Vermögens stiege, so fiele ihm ein, eine neue
Hauptface nach dem Garten richtend beizubauen, um den Hauptprospect in dem
Garten auf das Haus - und im Haus aus allen Fenstern in den Garten zu haben.
Dadurch entstand aus dem Gebäude ein Triangular, wovon jede Hälfte schon an und
vor sich selbst eine übergroße Wohnung ausmachte, da diejenige Facade nach dem
Garten zu, allein für sich obwegen meldete 30 Fenstern zählte und nebst in den
Garten zugleich die volle Aussicht auf die so berühmten Siebenberge haben.
Dadurch mußte also die Geburt der Größe eines Klosters nothwendig folgen. Wahr
ist es, daß es wohl die schönste Lage nebs Godesberg am ganzen Rheinstrom haben
mag. Aber was für überflüssiges Gebäude, anders als zum Schaden. Er konnte in
Kleinerem all das nämliche schön und solider haben, zumal wo Beamtens Kinder im
ganzen Lande zu Hause, und das Bürger Recht haben, und nie sicher waren, von
dem Fürsten in nämlichen Amte angestellt zu werden, folglich übertriebene
Gebäude ihnen lästig fallen.
Diese Regel leidt zwar ihren Abfall in
Städten, aber auf`m Lande muß nie mehr gebaut werden, als dazu gehörige Güter
tragen können. Die übertriebene Gartenlust leuchtet also hier stark hervor,
wegen dieser ein zweites oder doppeltes Haus zu bauen; - das war eine zu theure
Liebhaberei. - Gleichwohl blieb er dabei noch nicht. sondern als das zweite
Kelterhaus in den Hintertheil des Gartens schoße, und das Viereck brache, ließ
er dieses abbrechen und auf eine andere Plaze im Hofe stellen. Wenn ich im
Bausch und Bogen seine Bau- und Gärtnerei gering anschlagen solte, so schätze
ich doch wenigstens der damaligen Zeiten ungeacht 14000 r. dazu gegangen zu
sein, denn er baute heut und riß morgen wieder ab, so lang er gelebt hat. Er
scheint das Vorurtheil gehabt zu haben, wenn er zu bauen aufhöre, sterben zu
müssen.- Meine Mutter sagte ihm einstens: Wollen Sie denn ewig bauen? Worauf er
mit verdrüßigem Gesichte erwiderte: Geben Sie den Armen, ich baue; als wenn er
damit sagen wolle, die mir arbeiten sind auch arm. - Hätte er nur die Hälfte
dieses Capitals verbaut, so hätte er gleichwohl dafür mit kluger Einrichtung
ein hinlängliches herrschaftliches Haus hinstellen können, und gar hatte er
dies respec nicht eins nöthig, weil er das urgroßväterliche, oder das
großväterliche Stammhaus beziehen konnte, wenn er auch daran einige
Verbesserungen verwendet hätte. Gewiß wäre so der größere Teil dieses Kapitals
für die Kinder erspart worden, und hätte besonders in dem großväterlichen blos
mit Anlegung von 2000 r. zur Verschönerung darin prächtig auch wohnen können.
Es war was stand 2 Stammhäuser schon zu existiren, und doch ein drittes nicht
nur noch dazu zu bauen, sondern daran noch obendrauf übermäßige Kösten
anzulegen. Ganz recht ist es, daß jeder seinem Hang genüge, aber die Mäßigung
darinnen muß noch immer vor Augen bleiben. - Ich richte hier die Handlungen
meines Vaters, doch aber mit Vernunft keiner hat sich selbst gemacht, sonst
würde jedem das Bild mehrerer Vollkommenheiten einfallen. - Wollt ihr Kinder
diese Familien-Biographie fortsetzen, in der Folge, so könnt ihr mich auch
richten, aber mit Vernunft, denn wir sind alle Menschen
"quisque patitia suos manes" (eigentlich: quisque
suos patimur manes). Jeder hat ein Steckenpferd und kann doch dabei der bravste
Mann sein.
So ungebunden und liberal er bei seiner
Gartenlust, den Baugeist nährte, so kärglich war er mit meiner Mutter. Kein
festliches Kleidungsstück schaffte er ihr an, und die tägliche gering genug.
Wollte sie ein gutes Kleid haben, um wenigstens bei Freunden zuweilen zu
erscheinen, so mußte sie entweder an der Frucht oder ein Faß Wein in seiner
Abwesenheit dazu verkaufen, und was hierbei das spaßigste war, daß er die neuen
Kleidungsstücke sah, und kein Wort sagte, noch fragte: wo sie daran gekommen
wäre? - Wenn er von Bonn oder Köllen kam, und die Frage war, haben sie auch für
die Kinder oder für mich was mitgebracht, so war die Antwort: Potztausend Ja!
ein Pfund Feigen; - wo sind sie denn, Ha, ich hab` sie unterwegs im Gefähr gegessen.
Die gute Frau fragte ihn in der Folge nie mehr, und er brachte auch nie was
mit.
Dagegen wieder war er gegen die Kinder
außerordentlich freigebig, stolz, sogar üppig, diesen alles aufs kostbarste anzuschaffen;
die erstern Kinder, deren meine Mutter eilf gebähret, starben alle, und nur die
vier letztern blieben leben, wie sie im Stammbaum verzeichnet sind. Diese
letzteren trafen also schon in seine betagte Jahre, wo er durch die Sterbung
der Erstern vermuthlich empfindlich ward die letzteren auch zu verlieren, daß
er mithin diese so sehr verzärtelte.
Zu Hercheim vulgo Herchen, Amtes
Blankenberg, in des Herzogthum Bergs Siberien war zu der Zeit ein würdiger
Pastor, der mit einem sehr geschickten Präceptor ein förmliches Gymnasium
hielte. Seine Wohnung war schön und romantisch, so geräumig, daß das 10 bis 12
Eleven dem Herrenstande einnehmen konnte und die mehrere im Dorfe ihre
anständige Kosthäuser fanden. Sein Garten war sehr groß mit gemauerten Etagen
abgesetzt, weil er bergig war, neben der Pfarre liegend, die Kirche daran
stoßend. Zur Seite führte eine sehr lange Allee zu einem Busche und hinter dem
Hause ein großer Fischweier, vorn ein geräumiger Vorhof, der vorn nach der
Straße zu ein ordentlich gebautes Gymnasium mit der nöthigen Stallung und
Scheune einschließt. Eigentlich war das Schulhaus so eingerichtet, daß es
zugleich mit Aushebung der bretternen Wänden für die am Ende jeden Jahres zu
haltende Action, zu einer förmlichen Schaubühne flugs umgeschaffen werden
konnte, deren auch alle Jahres eine abgehalten wurde; wobei so dann die
Zuschauer auf dem Hofe, der ein paar tausend Menschen faßte, und in den
Pfarreifenster diesem Spektakel beiwohnten. Dieser Pastor brachte seine Alumene
bis zur vierten Schule, wo sie sodann ad humoriora
mit vielen Ruhm zu den Städten gingen. - dies war der Ort, wohin unser Vater
mich und meinen Bruder successive ad tyrocinium
hinführte, nachdem er uns durch seine Scribenten etwa oberflächlich im Lesen
und Schreiben vorbereitet hatte. Es wurden neue Kleider gemacht. Die Sonntags
Westen mit goldenen Borden geziert, und die Hüte rundum mit schwarzen Federn
eingefaßt; der Knab zu Pferde gesetzt, weil man dahin wegen dem Gebirge nicht
fahren kann, der Reitknecht neben ihm gehend, und der Vater mit einer Allonge
Perücke zu Pferde dabei. Von da sparte er keine Kösten uns nach Bonn und Köllen
zu den höheren Schulen und endlich auf die Universitäten nach Mainz und
Heidelberg zu schicken, wobei immer für die reichlichste Kleidung und die
besten Gasthäuser gesorget war. Seine Kinderfreude ging soweit, daß er im
Spielmonath die Preceptoren und die Hospites der Kosthäuser zu sich einlud, den
Garten beleuchtete und sie im Sommerhause tractierete, dabei ließ er auch als
Musikliebhaber keine gastirende Musikbande vorbeigehen; - den beiden Töchtern
ließ er eben so gute Erziehung in den Ursulineren zu Bonn und Köllen
beibringen; - die jüngste liebte er so sehr, daß er sie in der Jugend fast
immer in dem Garten auf den Armen trug. Er begnügte sich mit seinen Haus- und
Gartenvergnügungen, so daß er nie Gäste zu sich nahm, die von den
Bedienungswegen kommen mußten, waren ihm noch so viel, dagegen ginge er selber
auch selten bei Andere zu Gaste; es mußte denn wegen Geschäften unvermeidlich
sein; wohl aber die sonderbare Laune bei bemittelte Bauerleute im Dorfe zu
gehen, ein Glas Wein zu trinken und besonders nach dem Herbste die neuen Weine
zu probieren, wozu er uns Buben als im Spielmonathe auch noch mitschleppte,
vermuthlich in der Absicht, durch das Trinken zu erfahren, was für Wirkung der
neue Wein mache. Das Ausbleiben darüber bis 9 oder 10 Uhren verdrieß aber meine
Mutter. Er war allzeit jovial und aufgemuntertem Humor, dabei immer scherzend
in seinen Weisen und andere erzählte von seinen Studentenjahren, daß er mit 5-6
seiner Freunden, die auch Musiker waren, einem reichen Frauenzimmer nachts beim
Domhofe in Köllen öfters Nachts eine Serenate gemacht, auf einem wäre ein Trupp
anderer Juristen gekommen, die sie aus Eifersucht wegschlagen wollten; sie, als
schade ihre guten Musikinstrumente zerschlagen zu lassen, die Flucht
vorgezogen, ihn aber als eben den Baß gestrichen zu haben, wären sie unten am
Ende des Domklosters so nah auf den Leib gekommen, daß er keine andere Rettung
gehabt, als auf einmal seinem nächsten Angreifer den Baß in den Kopf zu
schlagen, wo Knall und Fall sein Gegner mit dem Kopf bis halben Leibs durch den
Baß gehangen, vor ihm gestanden und dann den Hanf des Basses um den Leib, er
aber das Griffblatt festhaltend hätte ihn in das da befindliche düstere Gäßchen
eingezogen - seinen Baßgefangenen mit der Fläche seiner Degenklinge abgewixt,
und auf sein Anhalten ihm den Baß über den Kopf ausgezogen und ihm das Leben
geschenkt mit der Warnung nie mehr honnette Serenadenmusiker anzugreifen.
Inzwischen wären die übrigen bei dem Schlag und Knall des Basses, denn es war
ein großer Kontrabaß, unten mit einer Pauke, ganz erschrocken, zumal er von dem
engen Gäßchen einen Widerhall, wie eine kleine Kanone gab, davon geloffen, und
theils einige die andern verfolgt. Sein Gegner auch vom Knall und
Klingenschwingen ganz betäubt, und wie in Ohnmacht, hätte ihm die gütigsten
Worte gegeben, daß Unglück still zu halten, damit es bei der Universität, und
dem Rektor magnificus zu einem schimpflichen Processe nicht auskäme, sondern er
möchte vielmehr mit ihm alle anderen aufsuchen, damit Freund und Feinde sich
versöhnten, und mit einander in die sogenannte Unnau gehen, um dort auf so
viele Schräcken einen Friedenstrunk zu thun. Bis 12 Uhr hätte es gedauert ehe
sie sich auf den Straßen alle zusammen gefunden und sodann zu der Unnau
hingezogen, da freundschaftlich einander zugetrunken - überdem aber sein
Gegener sich etwas erholter schmerzlich klagte, seinen Kopf nicht aufrecht
halten zu können, als wenn ihm die Hirnschale verletzt wäre, worauf sie ihn
visitirt und ein Stück vom Contrabaß eingeschlagen fanden; sie hätten ihn
einstweilen so gut als sie konnten trepannirt, das Stückchen ausgezogen mit
Essig ausgewaschen und bis 2 Uhr zu trinken fortgefahren - nun verabredet die
gestörte Serenate in eine Morgens Cantate zu verwandelen - sie meinen Vater zu
begleiten, um zu Hause seinen kleinen Baß zu holen, - dem großen nun boden- und
deckellosen, aber heimzutragen, sodann dem nämlichen Frauenzimmer um 3 Uhr die
Morgens Cantate zu vollbringen; und nach diesem den Verwundeten einem
geschickten Feldscherern zu übergeben.-
Auch eine Reiseannectode war diese: Er
wäre von Wien über Insbruck nach Venedig gekommen, um die dortigen
Merkwürdigkeiten zu sehen und weiters nach Rom zu gehen,- Ein Beisitzender, der
zu Insbruck in Garnison gelegen, fragte gleich ob das Schloß daselbst nach der
Ausbesserung auch schön geworden wäre, - er erwiderte im Imprombte: bei
Durchfahren hätte er in der Kalesche geschlafen und das Schloß nicht gesehen.
Der Blumist sive Blumenhändler Brüssel,
der ihm zu seiner Tulipanen und Aurikeln Flor die jährlichen Zusätze aus
Holland lieferte, sagte mir scherzend, ihr Herr Papa hat ein Flötchen in der
Nase. Es war wirklich passend, denn er hatte sich ein öfteres Spauzen mit der
Nase über im Reden angewöhnt, das einem Flötchen ähnlich war, das Drolligste
hiervon kann der nur fühlen, der ihn lebend kannte.
Seine Aquisiten waren groß, aber übele
Wahl dabei. Sein Wahlspruch davon zu den Kindern war immer: non minor est virtus, quam (quaerere) parta tueri. Es
betrüge nach den Hausbüchern an 26.000 r. Güter und 30.000 r. an Kapitalien,
also im Ganzen 56.000 r. worunter nur 50 Morgen Land. (freigelassen) im
Jülichen Amte Grevenbroich 24 Morgen zu Esch im Köllnischen Amte Hülchenrath,
das übrige waren lauter Weingüter und eine Mühle zu Rodenkirchen bei Köllen. Er
herbstete gewöhnlich, ein Jahr um`s andere 160 Ahmen Wein, an 40 Ahmen
Apfelkraut und 50 Malter Baumnüsse. Letztere wurden theils nach Holland verkauft
und theils zu Oel geschlagen. Zu Sinzig, 2 Stunden von Honnef wurde ihm die
Martels Burg käuflich angebracht, und doch kief er sie nicht , obschon sie ihm
so nah gelegen war. Er hätte noch um 20.000 r. mehr hinterlassen können, wenn
er sich nicht durch den Geheimerrath von Lanceau hätte bereden lassen bei
Suspendierung des Richters Graf, diese Richters und Rentmeisterstelle eins mit
dem Steuerempfang des Amtes anzunehmen; zu letzterem mußte er ?Accurancen?
halten die Gelder verschleuderten und er ersetzen mußte.
Auch würde er an seinem vielen Weine
wenigstens 20.000 r. mehr an seinem Vermögen gewonnen haben, wenn er die
Herbstück wie ich nach physischen Grundsätzen gekannt hätte, was ich unten in
meiner Biographie im Breiteren zeigen werde, wo ich selbst über 4000 weniger
aus meinem Herbstück bezogen, auch ehe ich es kannte.
Hier muß ich aber sagen, daß in diesem
Jahrhundert von 1700 bis 1780er Jahren immer wechselnd so gute Weinjahr
erfolgten, daß der Product bis zu jährlichen 20 Prozent schluge und dies mag
ihn zu so vielen Weingütern verleitet haben, nun trieb er bei seinem vielen
Gewächse auch noch Handel dabei, theils schoß er den Weinbauern das Jahr
hindurch vor, und nahm im Herbste Wein in Zahlung, - und theils immer wegen der
Vielheit gar wohlfeil war, kaufte er auch noch Vieles bei, so daß er gewöhnlich
aus einem Jahr ins andere ein Weinlager von 10 bis 1200 Ahmen liegen hatte.
Seine Kleidung war komisch, als
gelehrter, schulmäßiger Reiter ritte er nicht anders als mit schweren
Courier-Stiefeln, einer Allonge-Perrücke, einem mit Gold gebordeten Huth und
einem damals sogenannten Packatran, lang und mit Aermel, es mochte regnen oder
Sonnenschein sein, dies galt gleich. Im Hause trug er immer sogenannte damassen
Hausjacken, wowie das Kamisol ohne Rücken in beiden Seiten des Jackes angenehet
waren. Diese beiden Tragten waren ihm so eigenthümlich, nämlich der damassene
Jack und Palatran / roquelor / daß er
mit ersterem immer ginge und Sonntags zur Kirche seinen Palatran nur darüber
anzoge. Die Allonge-Perrücke und gebordeten Huth aufsetzte und so zur Kirche
wanderte, und ich sozusagen keinen förmlichen Rock gesehen, den er je gehabt
hätte. Dies ging gar soweit, daß, als er einsmal wegen einer mit dem
Oberschultheiß von Bensberg gehabten Kommission, dorthin im obigen Anzuge
hinritte, der Oberschultheiß vor dem Tischgebete begehrte sich gemächlich zu
machen, und den Palatran auszuziehen. Was war zu thun? Er hatte nur seine
damassene Hausjacke unter den Palatran mit seinen Kourirstiefeln protestierte
gegen den Palatran bis endlich die ganze Tischgesellschaft ihm denselben
abzwange und er nur in damassener Jacke zu Tisch saß.
Einstmals wandelte ihm doch eine andere
Lebenssitte an. - Bei dem Vogte Meex Amtes Neuenahr hatte er Kapitals Zinsen
auf dem Amte haftend, zu erheben. Er ritt einmal selbst zu diesem, der ein
Verschwender in seinem häuslichen war; - er wurde bei diesem prächtig
bewirthet, kam nach Hause zu meiner Mutter, und wollte auf einmal auch alles
aufwendlicher haben. Sie erwiderte: Ja, wenn Sie es so haben wollen. Kurz
darauf erlebte er, daß Meex in Armuth starb, die Frau Vogtin gar Köchin im
Jesuiten-Convict zu Köllen werden mußte, und nun meine Mutter fragte, ob er
noch dabei bliebe a la Meex leben zu wollen. Er befand aber besser bei
behaltenem Guth zu bleiben.
Seine Religion war aecht und kurz;
aufrichitg in seinem Wandel, verlangte nie ungerechtes Guth, beleidigte kein
Kind, lebte für sich in seinen stillen Hausgnügungen, ginge Sonntags in die
Frühmesse, predigte sich im Hause selbstens, ohne in die hohe Messe zu gehen,
und nur aus zarter Empfindlichkeit für seine verstorbenen Voreltern ginge er am
Allerseelentage nach der Villzeck, einem Nesselrod`schen Guthe zwischen Berg
und Thal, in einer Einöde gelegen, diesen traurigen Tag zuzubringen, und nahm
uns Kinder in unseren Studentenjahren mit dahin.
Holländisch Fischwerk und Kanterkaes
waren so seine Leibspeisen, daß er die ganze Fasten halten, und sie dennoch auf
Ostertag statt Fleisch essen konnte; auch liebte er so das Bier, daß er sich
mitten im Weinlande seinen Braukessel aufsetzte.
Meine Mama seel. war ein wahres
Tugendbild, sie lebte wie heilig, und konnte den Thomas von Kempis fast
auswendig. Zur Kirche ging sie ohne Gebetbücher, darin nur Betrachtungen
haltend. In Broichhausen 2 Stund entlegen ist ein wunderthätiges
Muttergottesbild, den ganzen Sommer hindurch ginge sie wenigstens alle 14 Tage
vor Tagesanbruch dahin, und war in 5 Stunden in ihre Haushaltung wieder zurück.
- Papa starb auf Laurenci im Jahre 1760 und zwar anfangs seines 60. Jahres. Die
Mama war am 12.Juni 1702 gebohren, also beim Ableben des Papas 58 Jahre; sie
wurde zur Heirath begehret, die sie ausschlug, obschon die Kinder, außer der
ältesten Tochter, noch unversorgt waren. Aus obgerührtem Vermögensstand kann
man sehen, was eine zweite Ehe den Kindern geschadet haben würde.-
Sie hatte immer eine schwere
Landhaushaltung mit vielen Knechten und Mägden geführt, wowie sie selbst mit
die schwersten Magddiensten gethan. Unter anderen holte sie allezeit Mittags
und Abends den Tischwein in dem 50 Trittlinge tiefen Keller, daß man allein
glauben wollte, ihr Leben verkürzt haben zu müssen.
Papa pflegte Abends mit einem
Schlafräuschchen schlafen zu gehen, und dies machte mit den jeweiligen Nachmittags-Tränken
den 3. - 4. Kellergang. Er liebte eine kleine Küche aber alles mußte gut
zubereitet sein. Zufällig hatte sich ein Churfürstlicher Mundkoch von Bonn auf
Godesberg als Einsiedeler begeben, diesen nahm er auf einige Wochen zu sich um
die Mama in allen Nebenspeisen auf`s niedlichste zu unterrichten, und wahrlich,
sie hatte es so gut abgelehret, daß wir Kinder sie in den besten Kosthäusern
vermißten. - Sie starb am 14.September 1777 also beim 75 Jahre 3 Monate 2 Tage
ihres gottseligen Alters, nachdem sie zwar ihre 4 Kinder alle sich zu Stande
gebracht, erlebet, war sie auch dadurch ihre letzten 7 Lebensjahre mit einem
Hausgeistlichen allein gefunden. - Mein Bruder und ich hatten das Unglück, sie
nicht mehr lebend zu treffen, als wir Morgens 10 Uhr ankamen war sie die Nacht
um 2 Uhr verschieden, unter inneren Seufzen auf unsere Ankunft. Sehr hat sie
geschmerzet, die 7 Jahre allein lebend kein Kind bei sich im Amt versorgt
gehabt zu haben; sie empfahl uns oft für diesen Fall uns zu hüten, und wenigstens
eins seiner Kinder womöglich bei sich zu versorgen.
Wie Papa seel. starb, hatte mein Bruder
seine Studien eben hinterlegt, konnte aber die elterliche Bedienung nicht
erhalten, weil der de Grave zwölftausend Bancogeld als Forderung vom
Churfürsten Johann Wilhelm dafür schwinden ließ. Er begehrte demnach, weil eben
keine andere Vacatur war, eine Jülich und Bergische Hofrathsstelle und erhielt
sie; dabei mußte aber viel mit referiren gearbeitet werden, wenn einer in eine
teuere Stadt von dem seinigen nicht zuviel beisetzen wollte. Dies behagte ihm
nicht, und nahm nur die Rentmeisterei Amts Nörvenich, heirathete eine nicht
haushälterische Frau und starb am 31.August 1813, gebohren den 10.April 1738
also im 75. Jahre 4 Monate 21 Tage seines Alters bis wohin ihm sein
beiderseitiges Vermögen kaum hinreichte. - Er war ein biederer, gutherziger,
redlicher Mann, hinterließ 3 Söhne, wovon einer Gerichtsschreiber zu Düren, der
andere kaiserlicher Oberleutnant, der 3. im bergischen Forstwesen, und 2
Töchter, wovon eine den Staatsrath Linden, und die andere den Oberrichter Sang
geheirathet haben.
Meine älteste Schwester heirathete den
Obristforstmeister von Laux über die bayrischen Herrschaften in Böhmen zu
Dobyrei, die nur eine Tochter hinterließ, die der kaiserliche Hauptmann Ohra
von Prellowiz geheirathet.
Meine jüngere Schwester geboren den
ersten Oktober 1746 war mit Hofrath und Vogtsadjunkt Frentz zu Bergheim
verheirathet, und jetzt Witwe. Was dieser für ein Mann war, ist in ganz Jülich
und Bergisch bekannt. Seine Prozeßsucht hatte keine Gränzen, darin kann seines
Gleichen nicht in der Welt gewesen sein, dadurch ist er auch verschuldet
gestorben. Bei unserem elterlichen Theilungs-Geschäft hat er auch übel
gehandelt, wie sich unten zeigen wird. Kurz er war cui
liber vatus, et nemini bonus.-
Meine Biographie :
Am 20. August 1744 war ich gebohren;
mein Patt war der churköllnische Stadtschultheiß und Kölner Stadt und Amtes
Rheinberg Johann Adolph von Wilberg, mein Oheim mütterlicherseits und Gode,
Mechtild von Zaun, meine Großtante. Von den ersten Kinderjahren an war ich
gelehrig und geschwinden Begriffs, lesen und schreiben hätte ich fast aus mir
selbst gelehret; meine erste reine Abschrift aus der Schule heimbringend,
wollten Eltern und die beiden Scribenten nicht glauben von mir zu sein. Früh
machte sich bei mir der Hang zur Zeichenkunst, beim Theetrinken zeichnete ich
mit Fingern und Theewasser alle Fraktur - Buchstaben und Züge vom Jülich u.
Berg Wandkalender. Da immer Handwerksleute im Hause waren, ahmte ich als 6
jähriges Kind schon alle Handwerker nach, den Schreiner mit Bohrer und Hobeln,
den Leiendecker mit Leienhauen, den Faßbinder mit Reifen machen p.p. kurz, Hang
zu allen mechanischen Künsten und Wissenschaften. urit
mature, quod vult urtica manere. Mit 5 Jahren hatte ich das Unglück, daß
mich die Kindsmagd fallen ließ, es verschwieg und dadurch den Defect in der
Hüfte behielt. - Meine Studien hinterlegte ich; in allen unteren Schulen
erhielt ich goldene Bücher in inferioribus war
ich zuweilen so dreißt, daß ich die materiam argumenti
ex ore dictantis magistri, überm Dictiren in`s Latein niederschriebe und
doch noch als 2us oder 3us damit wurde.
Die väterlichen Leidenschaften des
Bau-, Garten- und Musikgeistes müssen als eine Erbschaft seiner Voreltern so starken
Eindruck auf seine Seele gehabt haben, daß es in die folgenden Generationen mit
dem jovialischen übergegangen, denn mir und meinem Bruder all das nämliche
angebohren, das sich schon in den Jugendjahren im nämlichen Maße entwickelte;
frühe sange er uns schon vor, dat Galenus opes,
Justinianus honores; - sein Wunsch war, wenigstens einen zum Arzte zu
bringen. Er hatte nicht Unrecht, wir zogen aber Justinianus vor.
Von der Universität ging ich zwei Jahre
nach Düsseldorf ad pruin nun nach Haus zur Mama
und führte dieser 6 Jahre lang ihre Geschäfte. Der Gerichtsschreiber des
Städtchens Königswinter, Herr Croal, war in dieser Zeit mein bester Freund bei
meinem Landleben, er war auch ein Liebhaber der Musik und hielten daher
wechselweise bei mir und ihn alle Wochen ein Quadro oder Symphonie. Wenn sich
eben mehrere Liebhaber trafen. Dieser ehrliche Mann starb in der Blüthe seiner
Jahre, kurz nachdem wir eine musikalische Lustreise nach Tönisstein zum
Sauerbrunnen zusammen gemacht hatten, sehr empfindlich war mir dieser
Todesfall, bis in spätes Alter erinnerte ich mich dieses verlorenen Freundes,
und ebenso mein Bruder, der im Sommer mit Vierteljahren von Düsseldorf zu uns
kam, und als Liebhaber mitmachte. - Im Jahre 1770 erhielt ich Nachricht, daß
der Herr Amtskellner und Scheffen des Hausgerichts (Hauptgerichts?) Wingels zu
Jülich seine Bedienung resignieren wolle; - ich ritte mit der Mama ihren
schönen Schimmel hin, sie bestand aus den Aemtern Jülich, Aldenhoven,
Eschweiler, und des Dingstuhls Pür (Buir) und Merken (Morken?), also aus dem
größten Bezirke aller Landkellnereien und wurde auf 1700 r. Edictenmäßigen
Resignations Schilling mit ihm einig. Nun ging das Bestätigungs Gesuch nach
Hof, das an Empfehlungsfreunde auch noch 100 Dukaten mithin im ganzen 2100 r.
kostete. Hier ist es an seinem Orte die Familien - Suplicks - Motiven
anzuziehen um meiner Abstammung den Gebrauch davon bekannt zu machen. -
In meinen Stammbäumen väter- und
mütterlicherseits findet sich von der 10ten Generation her, jede zu 50 Jahr
gerechnet, also bei 500 Jahre, bis hierhin meine Vor-Eltern in ersten
Landesdiensten als Stadtschultheiße, Vögte, Richtern, Amtsverwalter, Kellner
p.p. gestanden, und mehr ist in adeliche Familien geheirathet zu haben, sich
selbst also zu einem der ersten Landpatriziats-Geschlechte rechnen zu können.
Der Großoheim Rüttger Steffens in den
damaligen Kriegen zweimal als Geisel für`s Amt mit weggeführt worden zu sein,
daß die Familie auf eigene Kosten bestritten, ohne vom Amt und Lande das
Lösegeld zurückzufordern. Ebenso bei jedem Kriege fast immer in ihren
Wohnsitzen die Lazarethslasten ohne Amts und Landsentschädigung getragen zu
haben, sohin bei diesen Opfern und so viel Jahrhunderten her dem Churhause treu
geleisteten Dienste hoffen müssen, als zu fernern würdig angestellt zu werden.
Wirklich ist meine Genealogie darin
merkwürdig, daß sich mancher Junker nicht so weit zurückschreiben kann, und
beim Herrenstande selten sein. Die Grade vom Adel bis zum Bürgerstand sind - o.
- Herrenstand, auch Mittelstand genannt - d. der Bürgerstand. Der Bauernstand
von der bemittelten Klasse muß bei jetzigem Zeitgeiste zu dem Bürgerstande
gerechnet werden; - das in den Städten und auf dem Lande befindliche sogenannte
gemeine Volk ganz unbemittelt (Kötter, Plebs) plebeji - roture roturier - haben keinen Grad. Mein Geschlechtsregister geht
bis zum 13. Jahrhundert zurück, und die älteste Junkerfamilie nach den Annalis
Brosij bis zum 11. Jahrhundert. - Die Gelehrten sagen: Es ist keine Familie,
welche ihren Ursprung bis auf Karl dem Großen zum Jahre 768 hinaufführen kann,
es folge daraus, daß sogar die ältesten fürstlichen Häuser in Europa auf`s
höchste 30 Generationen zählen können drei auf hundert Jahre angenommen und
doch gibt es sehr wenige welche, ......
NB. Hier bricht leider die Geschichte
ab, wahrscheinlich hat der Oberforstmeister Steffens, mein Großonkel, welcher
geadelt, und in den Freiherrnstand erhoben worden, und in Eschweiler gewohnt
hat; - die fehlenden Blätter herausgerissen, da sich in denselben Äußerungen über
die jetzige Königs-Reg. befunden haben sollen, welche nicht recht am Platze
waren.